Stell dir vor, du hast endlich deinen lang ersehnten Fantasy-Roman abgeschlossen. Du hast ganze Fantasy-Welten erschaffen, deinen Helden tolle Abenteuer erleben lassen und bist nun bereit, dein Werk den ersten Lesern vorzustellen. Stolz gibst du dein Manuskript einer Freundin. Sie liest es begeistert, stockt aber irgendwann. Vorsichtig, um deine zarten Schriftsteller-Gefühle nicht zu verletzten, deutet sie dir an, dass sie eine bestimmte Passage nicht ganz realistisch fand.
Müssen Fantasy-Welten realistisch sein?
Sofort fühlst du dich als Autor unverstanden und streichst deine Freundin gedanklich von der Liste tauglicher Erst-Lektoren. Denn natürlich sind viele Passagen in deinem Werk „nicht ganz realistisch“ – schließlich hast du einen Fantasy-Roman geschrieben!
Falls du so denken solltest, habe ich eine schlechte Nachricht für dich. Deine Freundin hat sehr wahrscheinlich einen Punkt. Ja, Fantasy-Welten erschaffen wir nicht, damit sie möglichst realistisch, sondern möglichst fantastisch sind. Wahrscheinlich hat deine Freundin aber auch etwas ganz anderes gemeint. Sie fand deine Fantasy-Welt nicht glaubwürdig.
Leider habe ich manchmal den Eindruck, dass manche Autoren Fantasy-Welten erschaffen, weil sie sich dann nicht mit Recherchen abmühen müssen, sondern einfach alles selbst erfinden können. Und da in einer Fantasy-Welt alles möglich ist, scheren sie sich nicht um irgendwelche Regeln.
Das ist ein großer Fehler, den dir deine Leser übel nehmen werden. Denn wenn sie sich darauf einlassen, deine Fantasy-Welt zu betreten, gibst du ihnen dafür unausgesprochen dein Wort, dass dort alles – innerhalb der fantastischen Grenzen die du setzt – mit rechten Dingen zu gehen wird. Kein Leser möchte auf Seiten 391 eines Romans erfahren, dass er sich die ganze Zeit über ein völlig falsches Bild deiner Welt gemacht hat.
Das musst du beachten, wenn du glaubwürdige Fantasy-Welten erschaffen willst
Glaubwürdige Fantasy-Welten erschaffen geht eigentlich ganz einfach. Du musst lediglich sicher stellen, dass deine Leser deine Welt zu jedem Zeitpunkt für in sich plausibel halten. Deine Leser werden deine Fantasy-Welt nur am Anfang mit ihrer Alltagswelt vergleichen. Je weiter sie in deinen Roman eintauchen, desto mehr werden sie nur noch Vergleiche innerhalb deiner Welt ziehen. Und diese müssen in sich stimmig sein.
Hört sich schwierig an? Die folgenden 5 Tipps helfen dir dabei, dass es einfacher wird.
Tipp 1: Stelle bewusst Regeln auf, von denen du nicht abweichst.
Unsere Welt hat Regeln. Menschen können nicht aus eigener Kraft fliegen. Energie ist nicht unendlich vorhanden, Gegenstände fallen zu Boden, wenn man sie nicht festhält. Dies sind nur ein paar der vielen Millionen Regeln unseres Lebens, die wir alle intuitiv kennen. Wenn plötzlich an unserem Fenster ein Mensch vorbeifliegen würde, wären wir ziemlich schockiert. Und das Gleiche passiert deinem Leser, wenn Regeln, die du für deine Fantasy-Welt aufgestellt hast, unbegründet gebrochen werden.
Daher solltest du dir bei der Konzeption deines Fantasy-Romans sehr konkrete Regeln deiner Welt überlegen. Am besten begründest du diese auch. Wenn Menschen beispielsweise in der Welt fliegen können sollen, könntest du das damit erklären, dass sie in deiner Welt Flügel haben. Wenn eine deiner Figuren ein Mensch ist, aber aus irgendeinem Grund keine Flügel haben sollte, kann er auch nicht fliegen. Punkt.
Tipp 2: Benutze keine Begriffe, die in deiner Fantasy-Welt nicht vorkommen.
Wenn deine Leser in deine Fantasy-Welt eintauchen, darfst du sie nicht durch die Wahl falscher Begriffe wieder herausreißen. Daher solltest du niemals Begriffe für Vergleiche heranziehen, die es in deiner Welt nicht gibt. Es ist verlockend, Vergleiche mit allem zu ziehen, was wir selbst aus unserem Alltag kennen. Wenn deine Fantasy-Welt aber keinen Strom kennt, darfst du nicht schreiben „Das Sonnenlicht flimmerte wie eine Glühbirne, die kurz davor war, durchzubrennen.“
Auch wenn deine Leser sich natürlich etwas darunter vorstellen können, auch wenn es in deiner Welt keine Glühbirnen gibt, erzeugen solche Vergleiche ein Störgefühl. Und das selbst dann, wenn du in der 3. Person erzählst. Denn du bringst somit Gegenstände in die Gedanken über deine Fantasy-Welt hinein, die dort gar nichts zu suchen haben.
Tipp 3:Â Verankere deine Fantasy-Welt im Bekannten.
Fantasy-Welten erschaffen ist schwierig. Sich als Leser auf sie einzulassen, auch. Daher solltest du deinen Lesern immer eine Brücke schlagen zwischen dem, was du erfunden hast, und dem, was sie kennen. Setze Anker in der Welt des Bekannten. Dies kann unsere reale Welt sein, aber auch gängige Fantasy-Elemente umfassen.
Wenn in deinem Roman Zauberer vorkommen, lasse sie ruhig Zauberstäbe verwenden. Denke dir nicht unnötig fantasievolle Dinge aus, nur, um mit deiner Kreativität zu prahlen. Es ist leichter für deine Leser, sich einen Zauberstab schwingenden Zauberer vorzustellen als beispielsweise einen, der seinen Zauberspruch ausspricht, während er einer Eidechse den Bauch reibt.
Dies heißt nicht, dass du deiner Fantasie grenzen setzen sollst. Wenn die Eidechsen-reibenden Zauberer eine wichtige Rolle spielen und es Gründe dafür gibt (siehe Tipp 1), übernimm sie ruhig. Aber versuche nicht bei jedem Nebenstrang deines Romans etwas möglichst Ungewöhnliches zu erschaffen.
Tipp 4:Â Schaffe ein Gleichgewicht zwischen Dingen, die in deiner Fantasy-Welt einfacher sind, und solchen, die schwieriger sind.
Fantasy-Welten ermöglichen viele Dinge, die in unserer Welt nicht möglich sind. Dadurch wird für deine Figuren vieles einfacher. Wenn sie fliegen oder zaubern können, haben sie es deutlich leichter als wir, im Alltag zurechtzukommen. Um glaubwürdig zu bleiben, müssen sie es dafür aber auch an anderen Stellen schwieriger haben. Zum Beispiel könnte es dann im Gegenzug keine Smartphones geben.
Setze also klare Grenzen des Möglichen in deiner Fantasy-Welt. Eine Welt, in der einfach alles möglich ist, widerspricht unserer Erfahrung, dass es immer irgendwelche Probleme geben wird. Das führt dazu, dass wir diese Welt für unglaubwürdig halten. Außerdem wird es hier schwierig, spannende Konflikte zu schaffen.
Tipp 5: Lass einen Unbeteiligten die Fantasy-Welt kennenlernen.
Besonders glaubwürdig wird eine Fantasy-Welt, wenn du es schaffst, sie zu erklären. Das geht am einfachsten, wenn du jemanden losschickst, um sie kennenzulernen. Denn dieser wird die gleichen Erkenntnisse und Gedanken angesichts der Fantasy-Welt haben wie deine Leser. Joanne K. Rowling hat dies bei Harry Potter ganz konsequent gemacht, indem sie Harry nach Hogwarts schickt, nachdem er bei seinen menschlichen Verwandten aufgewachsen ist.
Ein Unbeteiligter in der Fantasy-Welt sorgt automatisch dafür, dass all die Regeln, die du aufgestellt hast, mit Skepsis betrachtet werden. Und das ist gut so. Denn auch dein Leser wird zunächst einmal skeptisch gegenüber deiner Welt sein. Wenn deine unbeteiligte Figur dann überzeugt ist von der Glaubwürdigkeit deiner Welt, wird es dein Leser auch sein.
Ich hoffe, dass dir diese Tipps helfen, in Zukunft noch glaubwürdigere Fantasy-Welten zu erschaffen, in die deine Leser sich mit Freude hinein saugen lassen werden.
Finde diese Tipps sehr hilfreich. Ich schlage mich schon seit geraumer Zeit mit dieser Welt und den darin spielenden Geschichten die ich in meinen Gedanken geformt habe herum und habe auch schon einiges zu Papier gebracht. Leider finde ich nicht so oft die Zeit dafür wie es mir lieb wäre weshalb ich dann immerwieder das bereits geschriebene nachlesen muss um nicht den Überblick zu verlieren und genau dabei stelle ich mir jedesmal aufs Neue selbst ein Bein.
Denn genau hierbei fallen mir dann neue Dinge, Verbesserungen oder Änderungen ein die mich alles Niedergeschriebene in Zweifel ziehen lässt.
Ob es nicht besser wäre nochmal neu zu beginnen, die Charaktere um zu schreiben oder Handlungsstränge zu ändern.
Hättest du eventuell auch noch Ratschläge um sich mit selbst aufgezwungenem Perfektionismus nich immerwieder ausbremst?
Verbindlichsten Dank und freundliche Grüße.
Danke für die hilfreichen Tipps! Mein Freund hat in der Tat gesagt, dass meine Story „unrealistisch“ ist, also passt der Artikel gut zu mir.
Ich frage in der Regel meinen 14 Jahre jüngeren Cousin nach einer Idee, der ist nämlich sehr ideenreich.